Zwei sitzende Personen verschränken ihre Hande.

Therapien

Arbeitstherapie

Die Arbeitstherapie stellt im Rahmen der sozialtherapeutischen Behandlung ein spezifisches interdisziplinär gestaltetes Lernfeld dar, in dem Verhaltensauffälligkeiten und/oder Leistungs- und motorische Defizite abgebaut werden sollen.

Die Insassen sollen an die Anforderungen der Übungswerkstätten, Werkbetriebe und beruflichen Umschulungsmaßnahmen heran geführt werden, so dass sie nach Beendigung der Arbeitstherapie dort eingesetzt werden können.

Interdisziplinäre Behandlung

Sozialtherapie beruht sowohl auf milieu- als auch auf individualtherapeutischen Interventionsformen.

Milieutherapie ist ein verhaltensorientiertes Konzept, das insbesondere auf die Defizite des dissozialen Klientels eingeht und prosoziale Ressourcen fördert. Zum milieutherapeutischen Behandlungsansatz gehören die Unterbringung und das Zusammenleben in einer Wohngruppe, der Umgang mit vollzuglichen und sozialen Regeln, sozialpädagogische, schulische, berufs- und arbeitsbezogene sowie freizeit- und sportpädagogische Maßnahmen. Die Begleitung alltäglicher Vorgänge wie Außenkontakte, Umgang mit finanziellen Mitteln und Schulden sowie ggf. die Einbeziehung vollzugsöffnender Maßnahmen (§ 13 HStVollzG, HSVVollzG) komplettieren diesen Ansatz.

Neben dem milieutherapeutischen Behandlungsansatz existiert ein umfangreiches individualtherapeutisches Angebot gruppentherapeutischer Maßnahmen, psychologischer Einzeltherapie und Psychotherapie sowie psychologische Beratung. Im Unterschied zum milieutherapeutischen Vorgehen wird die Notwendigkeit dieser Maßnahmen auf der Basis der Individualdiagnostik entschieden, um gezielt spezifische Defizite anzugehen und/oder vorhandene Ressourcen zu fördern.

Die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse (§§ 8 ff. HStVollzG, HSVVollzG) bilden die Grundlage des für jeden Insassen zu erstellenden Vollzugs- und Behandlungsplans (§ 10 HStVollzG, HSVVollzG).

Die Sozialtherapie verfolgt einen integrativen Ansatz. D. h., sie verknüpft die Wirkweisen der verschiedenen Dienste und umfasst mit ihrem Ansatz unterschiedlichste Behandlungskomponenten.

Kriminalitätsmodell

Das Kriminalitätsmodell basiert auf einem multimodalen Verständnis von Kriminalität.

Es handelt sich um einen pragmatischen, im weitesten Sinne sozialisations- und lerntheoretisch orientierten Erklärungsansatz.

In diesem Kriminalitätsmodell wird insbesondere fünf Bereichen maßgebliche Bedeutung für die Entstehung und Aufrechterhaltung delinquenter Verhaltensweisen zugemessen:

Delinquente Verhaltensweisen verstehen sich nach diesem Kriminalitätsmodell als Ausdruck einer in der Sozialisation erworbenen Verhaltensdisposition. Delinquente Verhaltensbereitschaft hat multifaktorielle Ursachen. Auf der individuellen Ebene der kriminogenen Belastungen besteht eine große Variationsbreite. Dies bedeutet, dass die Verhaltensdisposition erst unter bestimmten psychosozialen Kontextbedingungen zu delinquenten Verhaltensweisen führt.

Das beschriebene Modell trifft grundsätzlich auch auf das kriminelle Verhalten von Sexualstraftätern zu. Sexualität ist zwar eine im Biologischen verankerte Dimension des Erlebens, sie erfährt aber erst im Sozialisationsprozess mittels entsprechenden Lernerfahrungen ihre individuelle Ausformung.

Erklärtes Ziel der Sozialtherapie ist, mittels ausgewählter Behandlungsmethoden und –verfahren die Auftretenswahrscheinlichkeit von delinquenten Verhaltensweisen zu senken.

Sozialtherapie ist ein systematischer Versuch, den Einfluss kriminogener Faktoren zu mindern.

Voraussetzung hierfür ist, dass

  • beim Täter eine Verhaltensdisposition existiert, die kriminogen wirkt.
  • eine Straftat nicht ausschließlich auf situative Faktoren zurückzuführen ist.
  • diese Disposition einen Einfluss auf die zukünftige Auftretenswahrscheinlichkeit von Straftaten hat.
  • die kriminogenen Faktoren mit sozialtherapeutischen Mitteln zu beeinflussen sind.

Psychologische Einzeltherapie

Die psychologische Einzeltherapie verfolgt schwerpunktmäßig das Ziel, lebensgeschichtlich wirksame psychische Zusammenhänge zu rekonstruieren.

Motive, Emotionen, Verhaltensdefizite und Verhaltensexzesse werden herausgearbeitet und in ihrem biografischen Zusammenwirken deutlich gemacht.

Auf diese Weise wird eine Modifikation kognitiv-emotionaler Strukturen angestrebt, worunter u.a. das Selbstkonzept, Einstellungen und Strukturen der Selbstregulation zu verstehen sind.

Die psychologischen Einzelgespräche zielen von ihrem Wesen her auf übergreifende individuelle Zusammenhänge, aber auch auf eher bewusstseinsferne bzw. intime psychische Gegebenheiten.

 

Milieutherapie

Unter Milieutherapie wird die Strukturierung und Lenkung der alltäglichen Lebens- und Lernfelder nach wissenschaftlichen Prinzipien der Verhaltensmodifikation und Kriminaltherapie verstanden.

Zu den alltäglichen Lebens- und Lernfeldern gehören die Unterbringung in Form des Zusammenlebens auf einer Wohngruppe an sich, der Umgang mit vollzuglichen und sozialen Regeln, sozialpädagogische wie auch freizeitpädagogische Maßnahmen, schul-, berufs- und arbeitsbezogene Maßnahmen und die Begleitung alltäglicher Vorgänge wie Außenkontakte, finanzielle Maßnahmen und vollzugsöffnende Maßnahmen.

Das Behandlungsteam und insbesondere die zuständige Wohngruppenleitung (Sozialdienst) begleiten den Insassen in allen wesentlichen Bereichen und können über den Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung problematisches Verhalten bereichsübergreifend beobachten und beeinflussen. Es entstehen unter diagnostischer Perspektive valide Einschätzungen des Insassen aufgrund kleiner Beobachtungsabstände, und es können unter sozialtherapeutischer Perspektive die Möglichkeiten von hochwirksamen Verhaltensmodifikationen durch geringe Verstärkerabstände sowie des Lernens am Modell genutzt werden.

Der milieutherapeutische Ansatz setzt eine effiziente Teamarbeit voraus. Eine therapeutische Wirkung der Interventionen kann nur erreicht werden, wenn die Teammitglieder im Sinne der Behandlungsplanung einheitliche Ziele in Bezug auf einen Insassen verfolgen.

Damit ist der Austausch der Teammitglieder in Teamsitzungen und Fallbesprechungen ein zentrales Element milieutherapeutischer Behandlungsarbeit. In diesen Besprechungen werden Beobachtungen zusammengetragen und ausgewertet. Basierend auf der These, dass sich überdauernde problematische Interaktionsmuster, die zu Straffälligkeit beigetragen haben, auch im Vollzug zeigen werden, entsteht ein valides Bild des Insassen und seiner problematischen Interaktionsmuster. Behandlungsziele und Umgehensweisen für konkrete Situationen werden gemeinsam erarbeitet. Ziel ist dabei immer, beim Insassen eine überdauernde Verhaltensänderung in denjenigen Bereichen zu erzielen, die einen Einfluss auf seine Rückfallgefährdung haben.

Die Wirkfaktoren von Milieutherapie sind komplex und vielfältig und im Einzelnen schwer zu identifizieren. Die folgende Aufzählung enthält einige wesentliche, aber sicher nicht alle Wirkfaktoren von Milieutherapie:

  • Realitätstherapie:
    Kennen lernen eines strukturierten Tagesablaufs, angemessener sozialer Interaktionen etc.
     
  • Verstärkerpläne
    Die Struktur des Settings wird so gewählt, dass sie erwünschte Verhaltensweisen verstärkt und unerwünschte löscht.
     
  • Lernen am Modell:
    Exemplarisches Verhalten des Behandlungsteams bzw. der Bediensteten, die mit dem Insassen befasst sind.
     
  • Üben/Trainieren:
    Neu erarbeitete Verhaltensweisen können mit abgestuften Schwierigkeitsgraden geübt und trainiert werden.
     
  • Verständnis erlernen:
    Reflexion über Situationen und Verhaltensweisen mit dem Behandlungsteam
     
  • Kompetenzerwerb:
    Soziale Kompetenzen, schulische und berufliche Kompetenzen, Sport, Hobbys, kognitive Kompetenzen wie Strukturierung, Problemlöseprinzipien etc.

Milieutherapie ist ein verhaltensorientiertes Konzept, das auf die Defizite und prosozialen Ressourcen insbesondere des dissozialen Klientels wirkungsvoll eingeht (Ansprechbarkeitsprinzip). Mit dem milieutherapeutischen Ansatz werden die folgenden sozialtherapeutischen Ziele verfolgt:

  • Alltägliche Verhaltensbeobachtung, Abbildung von Verläufen
  • Informationen zur Ausdifferenzierung des Persönlichkeits- und Kriminalitätsmodells
  • Beobachtbarkeit kriminogener Verhaltensmuster (Risikofaktoren) im Alltag
  • Beobachtung der Bewährung neu aufgebauter Kompetenzen in Situationen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden

  • Verbesserung der sozialen Kompetenz
  • Korrektur problematischer sozialer Interaktionsmuster
  • Persönliche und soziale Verantwortungsübernahme
  • Förderung der Behandlungsmotivation
  • Förderung der Introspektionsfähigkeit
  • Internale Attribution (Erkennen von eigenen Anteilen an Problemen)
  • Interne Repräsentation sozialer Normen und Regeln
  • Training der Fähigkeit zum Einhalten sozialer Normen und Regeln
  • Training von Anstrengungsbereitschaft und Durchhaltevermögen
  • Steigerung des Leistungsvermögens
  • Training der Fähigkeit, Ziele zu formulieren und langfristig zu planen
  • Fähigkeit zur Antizipation langfristiger Konsequenzen eigenen Verhaltens
  • Erwerb von Kompetenzen im Umgang mit Geld

Neben dem milieutherapeutischen Behandlungsansatz existiert ein umfangreiches individualtherapeutisches Angebot in den Bereichen psychologische Beratung, psychologisch-psychotherapeutische Einzeltherapie sowie gruppentherapeutische Maßnahmen. Im Unterschied zum milieutherapeutischen Vorgehen wird die Notwendigkeit dieser Maßnahmen im Einzelfall entschieden, so dass auf der Basis der Individualdiagnostik gezielt spezifische Defizite angegangen und/oder vorhandene Ressourcen gefördert werden.

Therapeutische Gruppen

Therapeutische Gruppen, mit Ausnahme der deliktspezifischen, adressieren in der Regel spezielle Verhaltensbereiche bzw. -ebenen. Sie behandeln thematisch eingegrenzte Defizite. Solche Defizite können in mehreren Verhaltensbereichen bestehen,daher ist die Teilnahme an mehreren Gruppen -wie nachstehend aufgeführt- möglich.

  • Soziales Interaktionstraining
    Diese Gruppenmaßnahme dient der Verbesserung der Selbstwahrnehmung und dem Abbau von Unsicherheiten. Ziel ist der Aufbau eines angemessenen Verhaltensrepertoires in sozialen Interaktionen.
     
  • Soziales Problemlösen I (Zwischenmenschliches Problemlösen)
    Hierbei geht es insbesondere um konstruktive Verhaltenskompetenzen im Rahmen zwischenmenschlicher Konflikte. Die Teilnehmer werden zum Thema „Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten“ auf den Ebenen Problembewusstsein, Handlungsplanung, Handlungsausführung und Handlungsbewertung systematisch trainiert.
     
  • Soziales Problemlösen II (Antiaggressionstraining)
    Mit den Teilnehmern werden auf den Ebenen Problembewusstsein, Handlungsplanung, Handlungsausführung und Handlungsbewertung systematisch Strategien der Aggressionsbewältigung trainiert.

  • Therapeutisch orientierte Jogginggruppe
    Hierbei handelt es sich um ein spezielles, behutsames und gestuftes Lauftraining, das den individuellen Befindlichkeiten der Teilnehmer gerecht wird. Kontinuität, Anstrengungsbereitschaft und Durchhaltevermögen werden gefördert.
     
  • Erfahrungsorientiertes Team-Training
    In dieser psychologisch-bewegungspädagogischen Gruppe mit ressourcenorientiertem Vorgehen sind körperorientierte Erlebnisanteile mit der theoretischen Auseinandersetzung verknüpft. Das strukturierte Programm zielt auf die Verbesserung von Gruppenverhalten und Teamarbeit ab.

  • Problemlösegruppe
    Es werden individuelle Alltagsprobleme der Teilnehmer besprochen und einer Lösung zugeführt. Zielgruppe sind Gefangenen, die besondere Schwächen in der Kommunikation und im zwischenmenschlichen Miteinander aufweisen.
     
  • Sex Offender Treatment Program (SOTP)
    Das Programm richtet sich an Sexualstraftäter mit der Zielsetzung, deren Motivation zu stärken, aktiv an der Vermeidung von Rückfällen mitzuarbeiten, die Verantwortung für das eigene Tatverhalten zu übernehmen, individuelle Risikofaktoren herauszuarbeiten sowie ein entsprechendes Risikomanagement zu fördern und schließlich die Opferempathie zu verbessern.
     
  • Deliktspezifische Gruppe für Missbrauchstäter
    Die Maßnahme richtet sich an Straftäter, die wegen sexuellen Missbrauchs einsitzen. Motivationale Hintergründe, tätertypische Verhaltensstrategien, Risikowahrnehmung und systematische Risikovermeidung und Opferempathie stehen als thematische Blöcke im Zentrum der Gruppenarbeit.
     
  • Selbstmanagementgruppe
    Auf den Ebenen Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle wird ein spezielles Training angeboten, das sich auf straftätertypische Verhaltensprobleme bezieht. Dazu gehören: Impulsivität, Feldabhängigkeit/ Beeinflussbarkeit, paradoxe Anpassungserwartung, dissoziale Normorientierung, mangelnde Frustrationstoleranz, Externalisierung, fehlende oder illusionäre Lebensplanung.
     
  • Empathiegruppe
    Die Teilnehmer sollen die Fähigkeit erlernen bzw. ausbauen, die Perspektive anderer einzunehmen, emotional darauf zu reagieren und sich angemessen zu verhalten. Die Gruppe bewegt sich entlang gestufter Schwierigkeitsgrade vom Einüben sozialer Perspektivwechsel bis zum Einfühlen in die Reaktionen des Tatopfers.
     
  • Reasoning and Rehabilitation Program (R&R)
    Das R&R-Programm zielt auf kognitive Komponenten dissozialen Verhaltens hin. Es erfolgt keine Aufarbeitung der individuellen Lebensgeschichte oder Persönlichkeitsproblematik. Trainiert werden kognitive Voraussetzungen zur Selbststeuerung. Zielvariablen sind Problemlösefertigkeiten, soziale Wahrnehmung und soziale Kompetenz, kreatives Denken, Werte und Einstellungen.
     
  • R&R (Kurzversion)
    Das Programm ist eine modifizierte Kurzform des R&R mit Fokus auf dem Bereich des Problemlösens und richtet sich an Teilnehmer mit eingeschränkten Lernfähigkeiten.