Aufgabe des offenen Vollzuges:
Im offenen Vollzug können nur Gefangene untergebracht werden, die dafür geeignet sind. Dies ist dann der Fall, wenn nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder den offenen Vollzug zur Begehung von Straftaten oder auf andere Weise missbrauchen und sie den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs genügen.
Zu den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs gehören unter anderem die Fähigkeit zu korrekter Führung unter geringerer Aufsicht, die Bereitschaft des Gefangenen zur uneingeschränkten Mitarbeit und das aktive Bemühen um eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Der offene Vollzug ist daher nicht nur mit Gefangenen belegt, die von vornherein dafür geeignet waren. Sondern er hat darüber hinaus eine besondere Funktion für die Entlassungsvorbereitung für zunächst im geschlossenen Vollzug untergebrachten Gefangenen. Unter Berücksichtigung der Dauer der vorangegangenen Freiheitsentziehung im geschlossenen Vollzug und der Sozialisierungsdefizite sollen Gefangene schrittweise und mit zunehmenden Freiheits- und Belastungsrahmen auf den Entlassungszeitpunkt hingeführt werden.
Haben Gefangene die Eingangsphase beanstandungsfrei durchlaufen, werden sie in weitere Behandlungs- und Erprobungsphasen eingewiesen. Ziel dieser Erprobung ist letztlich die Zulassung zum Freigang im freien Beschäftigungsverhältnis.
Gefangene im freien Beschäftigungsverhältnis gehen einer beruflichen Tätigkeit außerhalb der Justizvollzugsanstalt nach und kehren erst nach Arbeitsende bzw. am Abend in die Justizvollzugsanstalt zurück.
Der Schwerpunkt der Behandlung liegt in der Gewöhnung an die allgemeinen Lebensverhältnisse. Der Lebenskreis Arbeit und Familie kann ohne großen personellen Aufwand trainiert werden, wobei soziale Bindungen gefestigt, Arbeitsplatze gesichert und Schuldentilgungen möglich werden.
Die Zweiganstalt Baunatal wird von einem Bediensteten des gehobenen Dienstes geleitet der gleichzeitig auch Leiter der Frauenhaftanstalt Kaufungen ist und besteht aus der zentralen Einrichtung des offenen Vollzuges für Nordhessen in Baunatal, Stadtteil Altenbauna, Kirchbaunaer Str. 15a. Die Vertretung wird von einer Beamtin des gehobenen sozialen Dienstes auf vertikaler Ebene wahrgenommen.
Insgesamt hat die Vollzugsabteilung des offenen Vollzuges eine maximale Belegungsfähigkeit von 58 Haftplätzen. Davon sind 49 Haftplätze für Männer und 9 Haftplätze für Frauen vorgesehen.
Der offene Vollzug befindet sich in zwei nahezu gleich großen Gebäuden, die durch einen Zwischenbau verbunden sind.
Im Untergeschoss des Erweiterungsbaus befindet sich die Übungswerkstatt Holz mit 10 Arbeitsplätzen.
In der Zweiganstalt Baunatal werden alle für den offenen Vollzug geeigneten Gefangenen untergebracht, wobei eine Zulassung zum Freigang nicht erforderlich ist. Die Gefangenen, sofern sie an der Anstaltsverpflegung teilnehmen, werden aus der Anstaltsküche der Hauptanstalt verpflegt. Die Besonderheit dieser Zweiganstalt ist, dass das komplette Anwesen angemietet ist.
Die Entwicklung des offenen Vollzuges in Kassel
Ende der 70er-Jahre wurde in einem Anbau der heutigen Justizvollzugsanstalt Kassel I im nordhessischen Bereich erstmals eine Station des offenen Vollzuges eingerichtet. Da das am 01.01.1977 bundesweit in Kraft getretene Strafvollzugsgesetz die Trennung von Strafgefangenen im geschlossenen und offenen Vollzug einführte, bestand bald die Notwendigkeit nach räumlicher Veränderung. Ein ehemaliges Wohnhaus für Bedienstete der damaligen Zweiganstalt „Elwe“ wurde in ein „Freigängerhaus“ mit zunächst 25 Haftplätzen umgewidmet. 1980 konnte der offene Vollzug in Kassel sodann durch die Inbetriebnahme eines weiteren „Freigängerhauses“ in der Aspenstraße mit 25 Haftplätzen verdoppelt werden. Im Jahre 1987 wurde die Einrichtung des offenen Vollzuges in Baunatal eröffnet. Hier standen erstmals unter einem Dach Haftplätze des offenen Vollzuges für männliche sowie für weibliche Gefangene zur Verfügung. In Lohfelden - Vollmarshausen wurde 1998 die jüngste „Freigängereinrichtung“ in der Region mit weiteren 47 Haftplätzen für männliche Gefangene in Betrieb genommen.
Seither hat der offene Vollzug in Nordhessen zahlreiche Änderungen erfahren. Aus der ehemaligen Zweiganstalt (1970 – 2001) der Justizvollzugsanstalt Kassel I, wurde die Kassel III, der die Einrichtungen des offenen Vollzuges in Baunatal, Vollmarshausen sowie in der Aspenstraße in Kassel angehörten.
Rückläufige Unterbringungszahlen im offenen Vollzug eröffneten in jüngerer Vergangenheit jedoch Raum für die Planung einer zentralen Einrichtung in Nordhessen. Als Standort bot sich die Einrichtung des offenen Vollzuges der Justizvollzugsanstalt Kassel III in Baunatal an, die räumlich angepasst wurde. Die übrigen Standorte wurden geschlossen und zum Teil einer neuen Verwendung zugeführt.
Seit Januar 2010 gehören die Abteilung des offenen Vollzuges in Baunatal sowie die Abteilung in Kaufungen für den geschlossenen Vollzug für Frauen und weibliche Jugendliche der JVA Kassel I an.