1933 - 1945
Sofort nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wehte in der Anstalt "ein anderer Wind". Je mehr die in den Ministerien und in der Anstalt tätigen Praktiker durch Vertreter einer krassen Parteilinie zurückgedrängt wurden, um so mehr gewann ein überstrenges bis willkürliches und gewaltsames Regiment die Oberhand. Dabei wirkten sich die Kriegsjahre besonders belastend aus. Die Ernährung der Gefangenen wurde eingeschränkt, die Winterkleidung der Gefangenen wurde an die Frontsoldaten gegeben, die Arbeit der Gefangenen wurde auf kriegsrelevante Erfordernisse umgestellt und darüber hinaus nochmals härter. Von der harten Arbeit entkräftete Gefangene wurden bei mangelnder Arbeitsleistung mit der Hausstrafe des Kostentzugs belegt.
Der Zahl der Gefangenen nahm in den Kriegsjahren weiter zu. Insbesondere der Anteil der Ausländer wuchs an, darunter zahlreiche Fremdarbeiter und Kriegsgefangene.
22./23.10.1943
Nach den verheerenden Bombenangriffen auf Kassel in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1943 und der damit einhergehenden Zerstörung der Anstalt in der Leipziger Straße 11, der sog. "Elwe", mussten zusätzlich die Gefangenen von dort aufgenommen werden, so dass die Unterbringungssituation noch belastender wurde. Die Belegung stieg auf rund 1500 Gefangene.
Die Zahl der Todesfälle in Folge von Erschöpfung und Krankheit stieg erheblich. In der Kriegszeit vom 01.09.1939 bis zum 08.05.1945 starben 417 Gefangene.
Im Jahre 1942 oder 1943 wurde damit begonnen, aus sog. asozialen Gefangenen Arbeitskommandos für die Außenstelle Breitenau, in der ansonsten vor allem Fremdarbeiter untergebracht waren, oder das Konzentrationslager Buchenwald zusammenzustellen. Die Gefangenen wurden dort zu schwersten Arbeiten in einem Steinbruch eingesetzt. Der damalige evangelische Anstaltspfarrer berichtet in seinen Erinnerungen, dass er von diesen in die Arbeitskommandos für das Konzentrationslager Buchenwald eingeteilten Gefangenen nach Kriegsende keinen wieder gesehen habe.
Die schweren Bombenangriffe hatten auch erhebliche Sachschäden in der Anstalt zur Folge. Davon betroffen waren neben dem Verwaltungsgebäude einschließlich der Kirche vor allem der B- und der C-Flügel sowie Teile der Außenmauer, die alsbald durch Drahtzäune geschlossen wurde. Allerdings kamen durch die Bombenangriffe auf dem Gelände der Anstalt weder Bedienstete noch Gefangene ums Leben.
29.03.1945
Am 29.03.1945 - drei Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner in Kassel - wurden mit Ausnahme einiger älterer und nicht gehfähiger Gefangener sämtliche Gefangenen evakuiert. Nach einer wahren Odyssee zunächst nach Halle a. d. Saale, wo die Gefangenen nicht aufgenommen werden konnten, gelangte der Gefangenentransport schließlich nach Straubing und Bernau, wo die Gefangenen trotz der bereits bestehenden Überbelegung Aufnahme fanden. Doch schon wenige Tage später mussten die Gefangenen diese Anstalten verlassen, um den Fußmarsch in Richtung Dachau anzutreten. Auf dem Weg dorthin traf der Gefangenentransport auf die Amerikaner. Die politischen Gefangenen, vor allem die Tschechen wurden freigelassen und bewaffnet und erhielten den Auftrag, nun ihrerseits die als kriminell angesehenen Bediensteten zu bewachen.
Nach Aufenthalten in verschiedenen Lagern und Gefängnissen kehrten die meisten Bediensteten nach Straubing zurück. Dort wurden sie jedoch fristlos entlassen; einige fanden im Ökonomiebetrieb der Anstalt ein Notunterkommen als landwirtschaftliche Arbeiter, bis sie Ende Juni nach Kassel zurückkehren durften.