Gustav Radbruch wurde 1878 in Lübeck geboren und wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf. Nach dem Abitur studierte er Jura unter anderem in München, Leipzig und Berlin. Nach Promotion und Habilitation arbeitete zunächst als Privatdozent in Heidelberg und später als Lehrbeauftragter an der Handelshochschule in Mannheim.
1915 meldete sich Gustav Radbruch freiwillig als Krankenpfleger im ersten Weltkrieg, aus dem er 1918 wieder zurück kehrte.
Radbruch war in zweiter Ehe mit Lydia Schenk verheiratet. Er hatte eine Tochter, die im Alter von 21 Jahren bei einem Skiunfall tödlich verunglückte und einen Sohn, der mit 26 Jahren bei der Schlacht um Stalingrad fiel.
Von 1919 bis 1926 arbeitete er als ordentlicher Professor an der Uni Kiel. In der Zeit von 1920 bis 1924 war er als SPD-Abgeordneter Mitglied des Reichstags. Ein Antrag, den Radbruch und 54 weitere Mitglieder der SPD-Fraktion im Juli 1920 einbrachten, sah die Straflosigkeit der Abtreibung vor, Abschaffung der Todesstrafe und eine mildere Jugendgerichtsbarkeit. Die von ihm maßgeblich initiierten Anträge hatten letztlich keinen Erfolg; er griff seiner Zeit weit voraus. Radbruch profilierte sich als Rechtspolitiker. Von 1921 - 1923 war er Reichsjustizminister und ließ bedeutende Gesetze ausarbeiten, u.a. zur Zulassung von Frauen zu allen Berufen in der Justiz. Wegweisend war außerdem der „Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs“ und das „Jugendgerichtsgesetz“.
Gustav Radbruch wollte die Vergeltungsstrafe abschaffen und durch eine Besserungsstrafe ersetzen. Die Resozialisierung wurde neben der Sicherung zum Hauptziel der Strafe erklärt. Für die Strafrechtsentwicklung der jungen Bundesrepublik nach dem zweiten Weltkrieg war der Entwurf sehr bedeutend. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Radbruch aus dem Staatsdienst entlassen und seiner Lehrtätigkeit entbunden. Er widmete sich der weiteren Entwicklung der Rechtsgeschichte. Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm er seine Lehrtätigkeit in Heidelberg wieder auf. Als Dekan leitete er den Wiederaufbau der Juristischen Fakultät.
Durch zahlreiche Aufsätze beeinflusste Radbruch nachhaltig die Entwicklung des Deutschen Rechts. Zentraler Bestandteil der Rechtsentwicklung durch Radbruch ist die Gerechtigkeit - Inbegriff der generellen Anordnungen für das menschliche Zusammenleben. Diese umfasst die Gleichheit, die Zweckmäßigkeit und die Rechtssicherheit. Auf dieser Vorstellung basiert auch die so genannte Radbruchsche Formel.
Diese besagt: Rechtssicherheit muss der Gerechtigkeit weichen, wenn das Gesetz in unerträglichem Maße zu dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden in Widerspruch steht. Von den höchsten deutschen Gerichten wurde diese Formel in zahlreichen Urteilen aufgenommen, beispielsweise bei den Befehlsnotstands- oder Mauerschützenprozessen.
Gustav Radbruch wurde stark geprägt durch den nationalsozialistischen Unrechtsstaat. Er entwickelte sich zum Positivist und verhalf dem Naturrecht zu seiner Wiederkehr („... jeder Mensch von Natur aus gleich unabhängig von Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit …, … Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit…. oder das Recht auf persönliche Freiheit …“).
Gustav Radbruch verstarb 1949 im Alter von 71 Jahren in Heidelberg - seine Reformideen bestehen fort und prägen bis heute die Ausgestaltung des offenen Vollzuges. Die am 23. November 1959 eröffnete neue Anstalt erhielt ihm zu Ehren den Namen „Gustav- Radbruch-Haus – Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main IV .
In unmittelbarer Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs, wurde 1948 eine „offene“ Vollzugsanstalt, bewusst mit dem alten Namen „Rudolfschule“ bezeichnet, eingerichtet und zehn Jahre geführt. In dieser „Modellanstalt“ Rudolfschule wurden vor allem vier Ziele angestrebt:
- in den geschlossenen Vollzugsanstalten Hessens, in denen geeignete Insassen für die offene Anstalt ausgewählt und verlegt wurden, eine spürbare Entlastung eintreten zu lassen;
- mit den in der offenen Anstalt tätigen Kräften, die vorzugsweise in der Landwirtschaft beschäftigt wurden, die Volksernährung sichern zu helfen;
- bei dem Wiederaufbau der erheblich kriegszerstörten Stadt Frankfurt am Main durch Beseitigung der Trümmer mitzuwirken;
- den Insassen schon während des Freiheitsentzuges eine Beziehung zur freien Umwelt zu ermöglichen und ihnen dadurch den geordneten Übergang in die Freiheit zu erleichtern.
Die in der Rudolfschule erzielten Leistungen beeindruckten den hessischen Landtag so, dass trotz der finanziellen Notlage in den fünfziger Jahren ein Anstaltsneubau, der den Namen Gustav-Radbruch-Haus erhielt, errichtet wurde. Die neue offene Anstalt verfolgt im Prinzip die gleichen Ziele wie die Rudolfschule. Gerade in der offenen Anstalt wird versucht, in der Gesellschaft für die Gesellschaft zu erziehen. Dies ist ein wesentlicher Gedanke von Gustav Radbruch gewesen.